Folge 7:
DMEA 2023 Spezial: Ein Rundgang durch die Messehallen Berlins
Alissa Stein und Prof. Dr. Sebastian Kuhn lassen die DMEA 2023 Revue passieren. Folge 7 von NewHealth.Podcast nimmt Sie mit auf einen Rundgang über Europas wichtigste Messe für die digitale Gesundheitsversorgung. Wir haben vor Ort mit Anbietern verschiedenster Lösungen für das digitale Gesundheitssystem gesprochen: Sie geben einen Einblick in ihre Vision und die besonderen Herausforderungen, vor denen sie stehen.
DMEA 2023 - Europas größte Messe für Digitalisierung im Gesundheitswesen
Vom 25.04.2023 bis zum 27.04.2023 fand in Berlin die DMEA statt. Das Akronym DMEA steht für: Digitale Medizin, Expertise und Anwendungen bzw. Digital Medical Expertise & Applications.
Mehr als 16.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchten die Messe. Über 700 Aussteller aus rund 30 Ländern und mehr als 80 Start-ups präsentierten ihre Produkte und Lösungen für die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Neben den Ausstellern waren auch nationale und internationale Speaker aus Wissenschaft, Politik und Praxis vor Ort – in über 300 Vorträgen, Talk-Runden und Keynotes sprachen sie über Strategien der Digitalisierung, Herausforderungen und wichtige Akteurinnen und Akteure. Unter anderem hielt Bundesgesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach eine Keynote, in der er über das Digitalisierungskonzept des Bundesgesundheitsministeriums sprach. Ein weiterer Fokus wurde mit DMEA Sparks auf das Ansprechen von Studierenden, Berufseinsteigern und Young Professionals gelegt, die sich hier face-to-face mit möglichen Arbeitgebern auseinandersetzen konnten.
Transkript der Podcast-Folge
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Minute 00:00 bis 03:34: Intro und Einführung
Alexandra Diers: Das Interesse ist unglaublich hoch an Digitalisierung, an den Lösungen, die wir haben. Und dementsprechend macht es viel Spaß.
Jannik Schmitz: Digitale Lösungen sind die Zukunft. Und deswegen hat man hier sehr, sehr schöne Gespräche und immer offene Ohren.
Alissa Stein: NewHealth.Podcast. Digitalisierung sinnvoll umsetzen. Der Talk mit Expertinnen und Experten zur Digitalisierung des Gesundheitswesens.
Prof. Dr. Sebastian Kuhn: Mit Sebastian Kuhn.
Alissa Stein: Liebe Hörerinnen und Hörer, herzlich willkommen zu einer weiteren Spezial-Folge von NewHealth.Podcast. Digitalisierung sinnvoll umsetzen. Wir blicken zurück auf die DMEA, Europas wichtigste Messe für die digitale Gesundheitsversorgung und dafür begrüße ich wie gewohnt Professor Dr. Sebastian Kuhn. Hallo Herr Kuhn!
Prof. Kuhn: Hallo Frau Stein, Toll, dass wir wieder zusammen hier sind.
Alissa Stein: Ja, vielleicht möchten Sie mal direkt berichten. Wie haben Sie denn die Tage Ende April erlebt? Wie blicken Sie auf die DMEA 2023?
Prof. Kuhn: Ja, also es ist schon Wahnsinn, wie sich die DMEA weiterentwickelt hat. Wenn wir zurückblicken, also in den Zeiten vor der Pandemie, da war die DMEA ja vor allem Herstellermesse, also Unternehmen, die sich dort drei Tage lang in Berlin getummelt haben und ihre neuesten Produkte vorgestellt haben. Mittlerweile hat sich die DMEA weiterentwickelt und es ist ein Ort, wo sich ganz, ganz verschiedene Stakeholder, die sich mit digitalen Wandel der Gesundheitsversorgung beschäftigen, treffen. Also Vertreter aus der Politik, aus der Ärzteschaft und Mitglieder von den Gesundheitsberufen, die in Kliniken und Praxen digitalen Wandel gestalten. Aber auch die verschiedenen Stakeholder von der Zivilgesellschaft, die dort auch ein wichtiges Wort mitzusprechen haben.
Alissa Stein: Ja, über 16.000 Besucherinnen und Besucher waren in den Messehallen Berlins. Das sind 50 % mehr im Vergleich zur letzten Veranstaltung vor der Corona Pandemie. Und Schirmherr, Sie hatten es ja auch gerade schon gesagt, war Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der auch im März eine neue Digitalisierungsstrategie vorlegte. Die Messe stand also auch unter dem Zeichen dieser Reformpläne, nachdem bis Ende 2025 80 % der gesetzlich Versicherten über eine elektronische Patientenakte verfügen sollen. Herr Kuhn, wie nehmen Sie die Resonanz auf dieses Vorhaben wahr und wie sprechen auch Ihre Kolleginnen und Kollegen darüber?
Prof. Kuhn: Sicherlich sind wir als Ärztinnen und Ärzte grundsätzlich vorsichtig, wenn Timelines im Kontext der Einführung nationaler digitaler Gesundheitstechniken kommuniziert werden. Das hat uns die Erfahrungen aus der Vergangenheit gelernt. Aber ich muss sagen, ich persönlich bin durchaus aktuell optimistisch. Die Digitalisierungsstrategie, die jetzt vor etwa vier Wochen publiziert und vorgestellt wurde, hat wirklich konkrete Meilensteine auf dem Weg hin zu einer zunehmenden Digitalisierung im Gesundheitssystem. Und das zentrale Herzstück, das ist die elektronische Patientenakte. Und ganz, ganz wichtig ist hierbei die Festlegung auf Opt-out, also dass für alle Patientinnen und Patienten, die nicht aktiv widersprechen, eine EPA angelegt wird. Und zum anderen noch eine ganze Reihe von anstehenden Gesetzgebungsverfahren, die in den kommenden Wochen auf den Weg gebracht werden.
Alissa Stein: Ja spannend, vielen Dank für Ihre Einschätzung. Und wenn Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, auch mehr zur EPA erfahren möchten, hören Sie gerne in unsere letzte DMEA Spezial-Folge mit Dr. Markus Leyck-Dieken, dem Geschäftsführer der Gematik, die als nationale Digitalagentur das Mandat für die Umsetzung erhalten hat. Und Sie finden die Folge wie immer auf unserer Webseite www.newhealth.guide/Podcast.
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Minute 03:34 bis 8:52: Doctolib
Alissa Stein: Ja, eine Messe lebt natürlich vor allem durch die Aussteller und wir haben vor Ort zahlreiche Gespräche geführt und nehmen sie jetzt mit durch die Hallen. Unsere erste Station ist, da Doctolib, dass viele wahrscheinlich kennen, wenn Sie schon mal online einen Termin bei einer Ärztin oder einem Arzt gebucht haben. Für Kliniken und niedergelassene Ärzte, bedeutet das eine Vereinfachung der internen Prozesse. Alexandra Diers ist seit sechs Jahren dabei und baut das Produkt also seit dem Deutschlandstart im Jahr 2016 mit auf. Sie hat uns erklärt, was das genau für Vorteile bringt.
Alexandra Diers: Also Doctolib bietet im Endeffekt eine komplett digitale Lösung für das Patientenmanagement. Das heißt, was steht da im Hintergrund: Es ist zum einen ein Online-Kalendersystem, was dann natürlich auch mit der Online-Buchung verknüpft ist, aber was auch schafft, dass die Mitarbeiter in den Praxen, in den Kliniken halt eine ganze Menge Zeit gewinnen. Wir haben das mal ausgerechnet: es sind so ungefähr fünf Stunden in der Woche, die halt einfach durch eine digitale Lösung im Alltag da eingespart wird. Wir helfen aber auch dabei, dass zum Beispiel Terminausfälle reduziert werden, was sowohl für Praxen, als auch für Kliniken im ambulanten, so auch stationären Sektor wirklich eine ganz große Belastung auch einfach ist. Wir warten alle auf Termine und dann fallen Termine einfach aus und wir können da einfach unterstützen, dass das nicht mehr passiert. Also 40 Prozent, oder bis zu 40 Prozent weniger Terminausfälle einfach dadurch.
Alissa Stein: Wow! Fünf Stunden Arbeitszeit pro Woche mehr für Patientinnen und Patienten, 40 % weniger Terminausfälle. Das sind doch beeindruckende Zahlen für eine eigentlich sehr naheliegende Lösung, Herr Kuhn, oder?
Prof. Kuhn: Ja, also ich möchte jetzt primär eigentlich nicht auf konkrete Produkte eingehen, aber die administrative Entlastung - Das ist wirklich so. Es ist eine der ganz, ganz zentralen Stellgrößen, die unmittelbar und auch kurzfristig zu einer deutlichen Entlastung von Ärztinnen und Ärzten führt. Aber natürlich auch von den weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in Kliniken und Praxen aktiv sind und solche Aufgaben übernehmen. Insbesondere diese wiederkehrenden, auch diese niedrig komplexen oder mit niedrig risikobehafteten Prozesse - Prozesse, die vor allem auch Daten beinhalten, die lassen sich bereits heute sehr gut digital abbilden. Und so ist diese Terminierung wirklich einer, der ja guten Beispiele, naheliegende Beispielen, die sowohl für Patientinnen und Patienten einen deutlichen Mehrwert bietet. Jeder von uns kennt das Problem, kurzfristig an einen Termin heranzukommen. Das ist häufig herausfordernd, wenn man Praxen anruft und dort über Wochen oder Monaten kein Termin frei ist. Und da bieten solche Systeme eine schnelle Übersicht und häufig auch eine Terminierung am selben Tag oder in wenigen Tagen. Aber auch aufseiten der Praxen mit allen, dem ganzen Personal, sind natürlich diese Reduzierung in Terminausfällen eine ganz, ganz enorme Fortschritt.
Alissa Stein: Bei der Implementierung der Lösung. Da sieht Diers aber auch eine besondere Herausforderung, wie sie uns jetzt verraten hat.
Alexandra Diers: Was wir bei den Kliniken auch oft sehen, ist, dass natürlich jetzt gerade im KHZG-Kontext sehr viele digitale Projekte auf die Kliniken zurollen, viel gemacht werden muss. Teilweise auch Projekte, die sehr große Prozessthemen halt ansprechen, wo viel optimiert werden muss. Und da merken wir einfach, dass die Kliniken momentan auch ein Stück weit überfordert sind. Das heißt: was wir machen ist, dass wir die Digitalisierung den Krankenhäusern in gewissen Teilen abnehmen, indem wir eigene Projektteams haben. Eigene Projektmanager, die unsere Lösung dann auch aktiv im Krankenhaus bereitstellen. Das heißt, wir verkaufen keine Software im eigentlichen Sinne, wo wir sagen, „hier ist das Produkt und jetzt richten Sie es gern selber ein“, sondern wir machen die komplette Begleitung – wir stellen sicher, dass die Prozesse alle optimiert sind, dass sie bei uns im System sind. Dass jeder Mitarbeiter, der damit arbeiten muss, auch mit dem System arbeiten kann.
Alissa Stein: Herr Kuhn, diese Überforderung bei der Digitalisierung, die Frau Diers gerade angesprochen hat. Sehen Sie die auch und wie lässt sich damit umgehen?
Prof. Kuhn: Ja, in der Klinik IT oder auch in den Praxen-ITs haben wir eine ganz, ganz enorme Herausforderung aktuell. Derzeit ist es so, dass in den Kliniken bereits mehr als 100 IT-Subsysteme zusammenarbeiten. Und viele davon sind noch aus den 80er oder aus den 90er Jahren. Diese Klinik IT, die muss 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr funktionieren. Und das ist eine ganz, ganz große Herausforderung, die viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits derzeit bindet. Jetzt ist es so, jetzt kommen komplett neue Systeme an den Start. Und die haben eine grundsätzlich andere Logik als das, was wir bisher gewohnt sind. Das ist eine Logik, die wir eher auch von unseren Smartphones kennen, also Cloud basierte, dezentrale Dienste, neue Akteure, insbesondere aber auch eine direkte Interaktion mit Patientinnen und Patienten. Und dieser Wandlungsprozess, der geschieht in einer Zeit, wo ein ganz, ganz enormer Fachkräftemangel in der Krankenhaus IT existiert. Häufig sind 30 %, 40 % der Stellen nicht besetzt und deshalb müssen wir wirklich neue Wege gehen, neue Kooperationen denken und ähnlich wie es auch andere Unternehmen aus anderen Branchen vorgemacht haben. Also egal ob jetzt Unterhaltungs- oder vielleicht auch eine Automobilindustrie, wir müssen neue Kooperationen mit der Industrie eingehen, wo die Arbeitsverteilung neu geordnet wird.
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Minute 08:52 bis 11:37: Mentalis
Alissa Stein: Ja, das ist ein ganz wichtiger Punkt, den Sie da gerade ansprechen. Weil Termine zu buchen, mag mit einer solchen Lösung einfach klappen, allerdings muss es dafür ja auch Kapazitäten beim Fachpersonal geben. Und das ist, wie wir ja auch wissen, ein Problem bei psychischen Erkrankungen. Und einen Lösungsansatz dafür bietet Mentalis und das hat uns Managing Director Hans-Jürgen Stein erklärt.
Hans-Jürgen Stein: Wir bieten eine hybride Lösung an, die kombiniert App plus Tele Coaching. Das heißt, die Patientinnen, die in unser Programm kommen, können mit ihrer App, die sie in der Klinik bereits bekommen, entsprechend an ihrer psychischen Gesundheit arbeiten. Und sie bekommen bis zu zwölf persönliche Tele Coachings mit einem Psychologen in der Zeit nach der Klinik. Und zwar werden die Patienten in der Klinik von qualifizierten klinischen Personal, das über unsere Nachsorge Angebote geschult ist, entsprechend auf unser Programm angesprochen. Sofern denn der Patient voraussichtlich auch von unserem Programm profitieren wird und sofern der Patient teilnehmen möchte, wird er dann von der behandelten Person direkt in der Klinik eingeschrieben. Also es existiert kein Bruch, sondern in der Klinik direkt können die Patienten in unserer in unser Programm eingegeben werden und können das dann direkt auch nutzen.
Alissa Stein: Es geht also um die Überbrückung der Wartezeit zwischen Klinikaufenthalt und Nachsorgetherapie. Herr Kuhn, wenn wir über Digitalisierung ganz abstrakt sprechen, steht ja oft der Vorurteil im Raum, dass digitale Produkte den Menschen ersetzen würden. Und in dem Beispiel geht es aber um speziell geschultes Personal, das es braucht, damit die Anwendung sinnvoll eingesetzt werden kann. Ist vielleicht sogar das Gegenteil der Fall? Braucht es für die Digitalisierung sogar mehr Menschen?
Prof. Kuhn: Ja. Also Menschen braucht es auf jeden Fall, weil wir haben ein ganz, ganz zentrales Ziel und eine ganz zentrale Chance, auch durch die Einführung von digitalen Produkten in dem Behandlungskontinuum. Es geht wirklich um eine Sicherstellung dieses Behandlungskontinuum. Ein Behandlungskontinuum, das derzeit viele Brüche aufweist zwischen den verschiedenen Sektoren, zwischen den verschiedenen Behandlerinnen und Behandler. Und die Einführung von digitalen Technologien unterstützt dieses Behandlungskontinuum, insbesondere auch orts- und zeitunabhängig. Egal wo Patientinnen und Patienten gerade sind und auch an welcher Stelle im Handlungsablauf sie sich befinden, egal ob ambulant oder stationär oder vielleicht auch in der Reha-Maßnahme. Oder auch im Verlauf und zwischendurch ganz, ganz vor allem in der eigenen Häuslichkeit. Und da kommt es drauf an eine sinnvolle Kombination aus asynchronen digitalen Angeboten, synchronen telemedizinisch, durch Behandlerinnen und Behandler unterstützten Konzepten, aber auch Präsenzanteilen miteinander zu kombinieren. Und dafür brauchen wir auch weiterhin Expertinnen und Experten, also Menschen, die diesen digitalen Wandel wirklich zu den Patientinnen und Patienten bringen.
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Minute 11:37 bis 16:50: imito AG
Alissa Stein: Ja, wie Apps auch Prozesse vereinfachen und bei der Therapie unterstützen können. Das zeigt die Lösung der Imito AG. Mitgründer und CEO Chrysanth Sulzberger hat uns deren App zur Wund Dokumentation gezeigt und erklärt, wie sie dem behandelnden Personal helfen kann.
Chrysanth Sulzberger: Wir haben mit unserer allerersten App uns darauf fokussiert, dass Ärzte visuell dokumentieren können, was sie sehen: mit Fotos, Videos in einer Timeline, ähnlich wie in Instagram, ihrer Dokumentation hinzufügen, dass sie dann auch mit Kollegen über die Kommentarfunktion sich austauschen können. Mit den Feedbacks, die wir dann vor allem aus der Pflege erhalten haben, aus dem Wundmanagement, haben wir uns dann weiter spezialisiert auf die, auf das Wundmanagement, auf das digitale Wundmanagement. Und da jetzt mittlerweile auf die Wundanalyse bzw. auf das "Clinical Decision Support". Für uns am wichtigsten, und da sind wir gerade in einem Innovationsprojekt mit der Universität Genf - Da geht es darum, Therapie Entscheidungsunterstützungen zu bieten, vor allem für die Nicht-Wundexperten. Wir fokussieren uns dabei aber noch nicht auf den Patienten, sondern auf die Healthcare Professionals, um vor allem die Generalisten dabei zu unterstützen, die richtige Entscheidung zu treffen für die Wundbehandlung.
Alissa Stein: Ja, Herr Kuhn, auch hier haben wir wieder ein Beispiel, wie digitale Lösungen einerseits Fachkräfte entlasten, andererseits gleichzeitig den Patientinnen und Patienten unmittelbar hilft.
Prof. Kuhn: Ja, also es kommt wirklich auf diese Kombination von den zwei Akteuren an. Und auf der einen Seite können wir durch das Smartphone bzw. dort auch über die verschiedenen Medizinprodukte in Form von Smartphone-Apps, Patientinnen und Patienten einbinden und andererseits über telemedizinische Plattformen oder zugehörige Dashboards dann die Behandlerinnen und Behandler. Daraus ergeben sich verschiedene Vorteile und die entstehen auf beiden Seiten: Patientenseitig können wir zum einen vor allem auch edukative Anteile abbilden. Also Patientinnen und Patienten geben meistens an, dass sie zu wenig über die Krankheit oder über die geplante Therapie erfahren haben. Und das können wir über diese Anwendung enorm unterstützen. Zum anderen aber auch die Erfassung von relevanten Daten im Verlauf. Das ist manchmal so patient reported outcomes, also Dinge, die die Patientinnen und Patienten im Verlauf selbst beobachten und wiedergeben können oder auch durch die Integration von Sensorik - Messwerte aus der Ferne einbinden. Und als drittes haben wir natürlich patientenseitig, soweit auch noch diese Stellschraube, wirklich auch digitale Therapien durchzuführen, also bei körperlichen oder auch psychischen Leiden verschiedene digitale Therapien einzuführen, wie zum Beispiel kognitive verhaltenstherapeutische Maßnahmen im Rahmen von psychischen Erkrankungen. Auf Seiten der Ärztinnen und Ärzte geht es vor allem diese Informationen, die patientenseitig entstehen, sinnvoll aufzuarbeiten, also diese Datenmenge ja vollumfänglich abzubilden. Aber in einer Art und Weise, die wirklich verdaubar ist. So ein bisschen wie wir beim Autofahren auf den Tacho schauen. Und vor allem bietet es die Möglichkeit, relevante Verschlechterungen des Gesundheitszustands frühzeitig zu erkennen, durchaus auch aus der Ferne.
Alissa Stein: Wir hören mal weiter rein, denn ein weiterer Aspekt, den uns Herr Sulzberger erklärt hat, das sind die nationalen Unterschiede bei der Digitalisierung zwischen Deutschland und der Schweiz. Und wie hier seine Perspektive ist, das hören wir jetzt.
Chrysanth Sulzberger: Was ein ein ganz klarer Unterschied ist, jetzt auch bezogen auf die Gesundheitsinformatik, ist die, sind die Personalressourcen, die zur Verfügung stehen in der IT, in den Krankenhäusern. Also ich denke, das ist wahrscheinlich der merkbarste Unterschied, den wir so feststellen, gerade bei der Projektumsetzung. Ansonsten haben wir es häufiger erlebt, dass wir in Deutschland noch von einer papierbasierten Wunddokumentation auf eine komplett digitale Dokumentation mit unserer App dann gewechselt sind. Ja, ansonsten ist es schon vergleichbar, was zum Beispiel die nationalen Patientenakten angeht. Also da ist, da hinkt die Schweiz eigentlich genauso hinterher wie wie Deutschland.
Alissa Stein: Spannend. Also bei der EPA sind wir gleichauf. Beim IT-Personalschlüssel scheint die Schweiz besser aufgestellt zu sein. Haben Sie da vielleicht eine Erklärung oder auch eine eigene Erfahrung gemacht, Herr Kuhn?
Prof. Kuhn: Ja, auch wenn ich in den letzten Jahren immer wieder auch das Schweizer Gesundheitssystem an einigen Stellen kennengelernt habe und vor allem auch diese Digitalisierungsinitiativen. Ich bin kein absoluter Experte im Kontext der schweizerischen EPA, also dem etablierten Patientendossier. Aber was die Schweiz gemacht hat, war, dass sie bei der Einführung von der EPA zusätzlich auch konkrete Qualifizierungsprogramme für verschiedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitssystems eingeführt hat. Also nicht nur die Krankenhaus IT, die Fachkräfte, vielleicht besser ausgestattet. Nein, auch die verschiedenen Gesundheitsberufe für dieses Projekt zu qualifizieren. Weil wir brauchen ganz, ganz unterschiedliche Fachkräfte, um wirklich den Gesamtprozess sicherzustellen. Und das ist etwas, was wir, glaube ich, in Deutschland gut beobachten sollten und auch in konkrete Maßnahmen überführen sollten. Es ist ein Thema, was mich auch seit vielen Jahren beschäftigt, wie wir die verschiedenen Akteure sinnvoll mit integrieren können, um diese Mammutaufgabe wirklich auch gemeinsam zu stemmen.
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Minute 16:50 bis 19:05: Cherry und Active Key
Alissa Stein: Ja, wir gehen jetzt weiter auf unserer Messe und bei der Behandlung von offenen Wunden ist Hygiene natürlich besonders wichtig. Und das ist das Stichwort für den nächsten Zitatgeber: Andreas Härtel. Er ist Produktmanager bei Cherry Digital Health und er stellte uns deren E Health Terminal vor. Das Kartenlesegerät ermöglicht den Zugang zur Telematik Infrastruktur.
Andreas Härtel: Wir haben im Portfolio ein E-Health-Karten Terminal, das ist zugelassen durch die Gematik, ist ein Touch basiertes Gerät also ideal geeignet für hygienische Einsätze in Kliniken, Praxen und auch in den neuen Berufsgruppen. Und genau von der BSI zertifiziert und von der Gematik zugelassen. Das kommt überall da zum Einsatz, wo entweder die eGK gelesen werden muss, also klassisch am Tresen in dem VSM durchgeführt werden muss, also ein Versicherten-Stammdaten-Management. Oder dann eben die neuen Anwendungen zum Tragen kommen, wie der EMP oder NFDM oder dann eben auch die EPA. So überall da, wo Patienten-Interaktion ist, aber auch im reinen Arzt-Arbeitsplatz, wo ja Signaturen nötig sind, zum Beispiel zum Signieren von Datensätzen, die in die EPA geschrieben werden oder ja Arztbriefe.
Alissa Stein: Unter Cherry läuft auch die Firma Active Key, die Eingabegeräte mit dem Fokus auf Hygiene produziert. Und das erklärt uns jetzt Key Account Manager Markus Pelzl.
Markus Pelzl: Die Firma Active Key bietet eine vollumfängliche Lösung im Bereich der Peripherie für hygienisch kritische Bereiche, also medizinische Bereiche, aber auch überall da, wo Desinfektion - Abwischbarkeit von Peripherie wichtig ist. Also nicht nur im OP, sondern im Grunde eine eine ganzheitliche Lösung vom Empfang über das Behandlungszimmer bis zu die ganz extrem kritischen hygienischen Bereiche. Wir bieten Tastaturen und Mäuse an, die was – ich kann’s mal an einem Beispiel festmachen komplett versiegelt verschlossen sind. Also alle unsere Tastaturen und Mäuse sind geschlossen in sich. Also keine offene Tastatur, wie man es von zu Hause kennt. Das bedeutet eine komplette Abwischbarkeit - Desinfizierbarkeit bis hin zu einer mechanischen Aufbereitung.
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Minute 19:05 bis 24:07: CUREosity
Alissa Stein: Wenn wir also über die Digitalisierung sprechen, dann reden wir oft über Apps-Services oder Software. Hardware wie Eingabegeräte, die fallen oft unter den Tisch. Doch gerade im klinischen Bereich, der braucht es hier vielleicht Speziallösungen, die mehr Hygiene ermöglichen als die Office Tastatur zu Hause. Endgeräte. Die braucht es auch bei der Virtual Reality Lösungen von Curiosity, nämlich VR-Brillen und Controller, die Patientinnen und Patienten in die Hand nehmen. Damit führen sie dann im virtuellen Raum Reha Übungen durch. Und was ihnen bei der Entwicklung besonders wichtig war, erklärte uns Business Development Manager Jannik Schmitz.
Jannik Schmitz: Wir bieten sensomotorisches, kognitives und auch so ein bisschen neuro-regulatorisches Training mit unserem CUREO Therapie System an. Das bedeutet, die Bandbreite ist wirklich enorm riesig. Wir können von schwerst betroffenen Patientinnen und Patienten im Krankenbett bis hin zu feinmotorischen Finger-Trainings können wir alles darstellen mit der Hilfe von VR. Also wir haben in der klinischen Entwicklung und das waren insgesamt drei Jahre relativ schnell festgestellt, dass es natürlich auf der einen Seite unglaublich wichtig ist, ein sehr, sehr hochwertiges Produkt darzustellen, aber auch sagen wir mal, die Prozesse und Implementierungen in den jeweiligen Einrichtungen, ja zu berücksichtigen. Einfach von Anfang an. Also die ganze Entwicklung wurde darauf ausgelegt, dass es für den Anwender bzw. für die Anwenderin, also für das medizinische Personal unglaublich intuitiv auch ist. Es muss schnell in die Prozesse integrierbar sein, es muss einfach zu bedienen sein, es muss Spaß machen für alle Parteien.Wir haben auch eine Patiententestung integriert. Das bedeutet, es können Daten natürlich vollkommen Datenschutzreform gesammelt werden. Diese können exportiert werden auch und man hat einfach mit wenigen Klicks eine schöne Visualisierung des Verlaufes zum Beispiel. Und ich kann genau sagen: Okay, wie gut war meine Patientin, mein Patient vor drei Wochen, bezogen auf die Range of Motion, also auf die die Armbeweglichkeit - genau das ist, das ist das deutsche Wort - und wie gut ist er oder sie heute?
Alissa Stein: Außerdem verrät uns Schmitz eine besondere Herausforderung, vor der Sie als junges Unternehmen standen.
Jannik Schmitz: Eine große Herausforderung, die wahrscheinlich viele junge Unternehmen kennen, ist tatsächlich die Kostenerstattung. Nicht weil ich glaube, dass die gesetzlichen oder auch privaten Krankenkassen sich davor verschließen. Aber die Prozesse sind teilweise so extrem bürokratisiert und so langsam einfach, dass es unglaublich mühselig und herausfordernd ist für ein junges Unternehmen, da den Prozess die ganze Zeit so eng zu begleiten. Deswegen haben wir quasi das Ganze auf zwei Schienen aufgesetzt. Bedeutet wir gehen einmal schon in die Einrichtung rein, schon seit knapp zwei Jahren, aber sprechen auch parallel mit den verschiedenen Krankenkassen, sowohl gesetzlich als auch privat, um dann hoffentlich irgendwann endlich das GO zu bekommen. Weil dass die Qualität da ist, beweisen zahlreiche Studien.
Alissa Stein: Herr Kuhn, wie sehen Sie das? Wie schwer ist es tatsächlich, für ein junges, innovatives Unternehmen mit einer guten Idee in dem Sektor Fuß zu fassen?
Prof. Kuhn: Ja, Frau Stein, also in den letzten Jahren, muss man sagen, gab es eine ganze Reihe von Fortschritten. Aber dennoch ist es so, dass die Hürden für ein junges, für ein Start-Up, für ein kleines und mittleren Unternehmen derzeit immer noch sehr hoch sind. Diese Herausforderungen liegen eigentlich in drei verschiedenen Bereichen: Zum einen in der Durchführung von einem sinnvollen Entwicklungsprozess. Das Ganze muss evidenzbasiert sein. Es muss eine Integration sein von medizinischen, technischen, rechtlichen, ethischen, aber auch wirtschaftlichen Aspekten. Und das ist etwas, was für Start-ups durchaus eine Herausforderung darstellt. Im zweiten vor allem der Evolutionsprozess, also die Durchführung von medizinischen Studien. Heutzutage wollen wir nicht nur eine App haben, sondern wir wollen wirklich auch wissen: Wie ist die Studienlage dazu? Hat sich diese Anwendung wirklich in der Anwendung bewährt? Gab es positive Versorgungseffekte, also einen medizinischen Nutzen auf Seiten von Patientinnen und Patienten oder auch ein deutlicher Nachweis von einer Optimierung von dem Behandlungsablauf – also Prozess- oder Strukturverbesserungen? Und hierzu sind mittlerweile analog zu dem, wie wir auch Medikamente oder klassische Medizinprodukte zulassen, medizinische Studien erforderlich und häufig auch mehr als eine. Es gliedert sich häufig erst mal in so eine Pilotstudie analog zu so einer Phase eins oder zwei bei Medikamenten. Und zum anderen dann auch noch mal eine DiGA-Zulassungsstudie. Und hierbei müssen positive Versorgungseffekte nachgewiesen werden. Und die Studien sind durchaus aufwendig, wenn sie medizinisch korrekt durchgeführt werden. Und der dritte Bereich ist die Erstattung. Da hat der DiGA Fast Track wirklich einen Riesenschritt nach vorne gemacht mit der allgemeinen Erstattungsfähigkeit von digitalen Gesundheitsanwendungen. Aber aus der Sicht von Start-up ist dieser wichtige Schritt dennoch relativ spät im Prozess - oft fünf bis sieben Jahre nach der Gründung von so einem Start-up und damit auch für die Finanzierung von den vorausgegangen Schritten nicht wirklich, ja die Lösung für das Problem.
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Minute 24:07 bis 25:11: Verabschiedung und Outro
Alissa Stein: Vielen Dank für Ihre Einschätzung. Ja, das war schon unser kleiner Rundgang durch die DMEA Messehallen liebe Hörerinnen und Hörer! Es war einfach unheimlich viel los. Über 700 Aussteller waren in Berlin und die Bandbreite war groß, wie Sie jetzt gerade wahrscheinlich auch gemerkt haben. Vom Patientenportal über Wund-Dokumentation per App bis hin zu VR-Anwendungen. Alles digitale Lösungen, die uns so oder in ähnlicher Form, womöglich im medizinischen Alltag ganz bald selbstverständlich begegnen. Herr Kuhn, vielen lieben Dank für unseren gemeinsamen Ausflug. Ich hoffe, Sie fanden ihn genauso spannend.
Prof. Kuhn: Ja, Frau Stein, es war wirklich ein besonderer Ausflug mit Ihnen auf die DMEA, auch wenn es vor allem virtuell war. Und ich freue mich auf die Fortsetzung.
Alissa Stein: Unbedingt. Und dann bis zum nächsten Mal, Herr Kuhn. Und auch an Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, bis zur nächsten Folge unseres NewHealth.Podcast. In einem Monat gibt es dann die nächste Folge auf die Ohren. Bis dahin machen Sie es gut.
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Digitalisierung sinnvoll umsetzen. Der Podcast zur Digitalisierung des Gesundheitswesens: Prof. Dr. med. Sebastian Kuhn und Moderatorin Alissa Stein sprechen regelmäßig mit Gästen aus der Branche. Ihre Themen: Spannende Best-Practice-Beispiele, interessante Visionen und praktische Erfahrungen, wie Entscheiderinnen und Entscheider im Krankenhaus Hürden bei der Digitalisierung meistern.